Meine Odyssee zur Amateurfunklizenz

Liebe geneigte Leserschaft,

lasst mich euch eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte von später Einsicht, deutscher Bürokratie und der wundersamen Macht des Selbststudiums – meine ganz persönliche Reise zur Amateurfunklizenz.
Es war im Frühsommer 2024, als mir in der guten alten c’t quasi ein Blitz aus heiterem Himmel ins Auge schoss: Eine neue Einsteigerklasse für den Amateurfunk! Mein Puls machte einen kleinen Hüpfer, so wie er das sonst nur bei einem guten Wurstbrot tut.

Der Morsecode-Trauma der 90er

Amateurfunk, das hatte mich schon immer irgendwie fasziniert. Dieses geheimnisvolle Hobby, die weite Welt, die man mit ein bisschen Draht und Technik erreichen kann. Aber, und jetzt kommt der Haken, als das Thema für mich das letzte Mal akut war (Anfang der 90er, als ich noch mit ein paar Watt auf CB-Funk die Nachbarn unterhalten habe), da musste man noch Morsen können! Und da war der Traum ganz schnell vorbei. Ich sag’s euch, meine Finger sind schon beim Tippen auf dem Smartphone überfordert, da brauche ich keine Dah-Di-Dah-Dits! Also, Funken ad acta gelegt und weiter mit dem 11-Meter-Band gebrutzelt.

Die Lockrufe der Klasse N

Aber diese neue Klasse N… das klang nach einer zweiten Chance, nach einem sanften Einstieg, wie ein Aufwärmbecken im Freibad, bevor man in das kalte Olympiabecken springt. Und je mehr Details durchsickerten, desto kribbeliger wurde ich: Maximal 10 Watt Sendeleistung, das 70cm- und 2m-Band – cool, das kannte ich vom CB-Funk grob – und, haltet euch fest: sogar Kurzwelle auf dem 10m-Band! Plötzlich sah ich mich schon mit einem Mini-Dipol im Garten die ersten DX-Verbindungen knüpfen!
Tja, und dann begann die mühsame Suche nach Infos und einem Lehrgang. Nach ungefähr zehn Ecken und drei Sackgassen bin ich beim Ortsverband S51 des DARC gelandet. Online-Kurse oder welche, für die ich ein Tagesvisum gebraucht hätte, waren die einzige Option. Ich, als der Typ, der am liebsten alles sofort und im Pyjama lernt, war nur mäßig begeistert.

Das rettende YouTube-Ufer

Am 24. Juni 2024 war es dann so weit: Die Klasse N wurde offiziell eingeführt. Und dann kam mein persönlicher Gamechanger: Über YouTube stolperte ich über den Lehrgang zur Klasse N von DL2YMR. Klar, dachte ich mir, Selbststudium! Wenn ich es in der Schule schon geschafft habe, mir das Pauken auf den letzten Drücker anzutrainieren, dann schaffe ich das jetzt erst recht!
Ein riesiges Lob muss ich an dieser Stelle an die Plattform 50ohm.de loswerden. Was die Jungs da ehrenamtlich auf die Beine gestellt haben, ist Gold wert! Man könnte fast meinen, sie wollen wirklich, dass wir Funkamateure werden!
Ende Juli 2024 war der Startschuss. Ab jetzt hieß es: Lernen, lernen, lernen. Die Klasse N ist in die drei Komplexe Vorschriften (V), Betriebliche Kenntnisse (B) und die Technik (T) unterteilt. Und das Beste (oder Schlimmste): 571 Multiple-Choice-Fragen warten auf ihre Beantwortung. (Vorschriften 204, Betrieb 172, Technik N 195).

Die „Funktrainer“-Schleife der Perfektion

Mit der App von 50ohm.de, wobei mir der Funktrainer optisch besser gefiel, begann das Drill-Programm. Jede Frage musste beim Funktrainer mindestens fünfmal richtig beantwortet werden, und wehe, man kreuzt einmal falsch an – zack, wieder ein Abzug. Der Lerneffekt war gefühlt enorm, weil man wirklich überall lernen konnte: Im Stau (Achtung, bitte nicht nachmachen!), beim Warten auf den Kaffee, oder wenn man einfach mal wieder fünf Minuten für sich hatte.
Nach ein paar Wochen (ca. 1-1,5 Stunden täglich) fühlte ich mich sicher. Sicher genug, um den nächsten bürokratischen Akt anzugehen: Die Anmeldung zur Prüfung bei der Bundesnetzagentur (BNetzA).
Ach, du deutsches Amt! Formblatt ausfüllen, Zwischenbescheid mit Zahlungsaufforderung abwarten, zahlen, warten, und dann, endlich, die „Zulassung zur Amateurfunkprüfung„. Gefühlt war die Wartezeit länger als der gesamte Lernprozess.

N und E – Wenn man schon mal dabei ist

Ich hatte mich für Erfurt entschieden, in gut zwei Wochen war der Termin. Und da ich mir dachte: „Wenn schon, denn schon und was hab ich schon zu verlieren?“, beschloss ich, auch noch die zusätzlichen 463 Fragen der Klasse E reinzupressen! Der Plan war genial (dachte ich zumindest): Bestehe ich N, habe ich N. Bestehe ich E nicht, bleibt es bei N. Nichts zu verlieren, nur potenziell eine bessere Lizenz zu gewinnen! Ein bisschen Selbstüberschätzung muss sein, oder?

Der Tag der Wahrheit in Erfurt

Der Tag kam, und ich pilgerte zur Außenstelle der BNetzA in Erfurt. Mit mir ca. 10-12 Leidensgenossen, alle mit dieser gespannten Mischung aus Angst und Hoffnung im Blick. Kurze Einweisung, Belehrung (bestimmt hab ich schon da unbewusst gegen drei Vorschriften verstoßen) und dann: Die Mappe mit den Fragen!
Vorschriften, Betriebliche Kenntnisse, Technik N und – Tusch! – Technik E. Jeweils 25 Multiple-Choice-Fragen, 45 Minuten Zeit, mindestens 19 müssen richtig sein. Nachdem ich den letzten Komplex abgegeben hatte, hieß es: Warten. Draußen. Auf dem Flur. Die Minuten wurden zu Stunden, die Knie wurden weich, ich spielte in Gedanken schon das Szenario durch, wie ich mit wehenden Fahnen bei E durchgefallen bin.
Dann kam der Prüfer. Er lächelte. Ein bisschen zu lange. Er gratulierte mir zur bestandenen Prüfung der Klasse N.
„Jup, wusste ich’s doch. E war zu viel.“ dachte ich, während ich versuchte, nicht zu enttäuscht auszusehen.
Und dann, nach einer dramatischen Pause, die in meiner Erinnerung mindestens 30 Sekunden dauerte, schob er nach: „… und zur bestandenen Klasse E!“
BOOM! Ein kleines Freudenfeuer im Kopf! Klasse E beim ersten Anlauf! Ich war nicht nur ein Neuling (N), sondern ein Erweiterter (E)! (Auch wenn es sich anfühlte, als hätte ich gerade einen Marathon in Gummistiefeln beendet).

Das Papier-Inferno und der Rufzeichen-Kuss

Zufrieden und ein bisschen stolz fuhr ich heim. Jetzt hieß es wieder: Warten auf das Prüfungszeugnis. Denn erst mit diesem heiligen Papier konnte ich das nächste Formular ausfüllen und die Zulassung zum Amateurfunkdienst und das Rufzeichen beantragen. Klar, auch das kostet wieder eine Gebühr – der Staat weiß halt, wo er sein Geld herbekommt.
Nach knapp zwei Wochen hielt ich es dann in den Händen: Meine Lizenz und mein Rufzeichen! Seitdem mache ich Betrieb unter DA6AD. Von Morseschreck zu Funkamateur Klasse E – da kann man mal sehen, was ein bisschen Selbststudium, eine tolle Community und der Wegfall alter Zöpfe bewirken können!

Übersicht zu den Amateurfunkklassen

Die Amateurfunkklassen N, E und A in Deutschland bilden ein dreistufiges System, das nach dem Inkrafttreten der neuen Amateurfunkverordnung am 24. Juni 2024 gilt.
Hier ist eine kurze und übersichtliche Zusammenfassung der wichtigsten Unterschiede:

MerkmalKlasse N (Neuling / Entry)Klasse E (Erweitert / Novice)Klasse A (Allgemein / HAREC)
EinführungSeit 24.06.2024 neuVorhanden (mittlere Stufe)Vorhanden (höchste Stufe)
PrüfungsumfangVorschriften (V), Betrieb (B), Technik N (T-N)V, B, T-E (deutlich mehr Technik als N)V, B, T-A (gesamter Fragenkatalog, höchste Technik-Anforderungen)
Bänder (Frequenzbereiche)2 m (VHF), 70 cm (UHF) und 10 m (Kurzwelle)Alle Bänder von Klasse N plus 160 m, 80 m, 15 m, 6 m und zahlreiche GHz-Bänder (ab 23 cm).Alle für den Amateurfunkdienst in Deutschland zugeteilten Bänder.
Max. Sendeleistung10 Watt EIRP/ERP (Effektive Strahlungsleistung)100 Watt EIRP/ERP750 Watt EIRP/ERP
Morsetelegrafie (CW)Nicht erforderlich, aber möglichNicht erforderlich, aber möglichNicht erforderlich, aber möglich
Internationale AnerkennungIm internationalen Ausland in der Regel nicht anerkannt.Wird international oft als Novice-Lizenz anerkannt (häufig CEPT Novice).Vollständig international anerkannt (gemäß HAREC-Empfehlung).
Upgrade-MöglichkeitKann jederzeit die Zusatzprüfung T-E ablegen, um auf Klasse E aufzusteigen.Kann jederzeit die Zusatzprüfung T-A ablegen, um auf Klasse A aufzusteigen.Keine weiteren Aufstiege erforderlich.

Prüfungsumfang (Anzahl der Fragen):

Anzahl der Fragen beziehen sich auf den gesamten, von der BNetzA veröffentlichten, Fragenkatalog 3. Auflage (März 2024):

  • Vorschriften (V): 204 Fragen (für alle Klassen)
  • Betriebliche Kenntnisse (B): 172 Fragen (für alle Klassen)
  • Technik N (T-N): 195 Fragen
  • Technik E (T-E): 463 Fragen (zusätzlich für E, ersetzt T-N)
  • Technik A (T-A): 397 Fragen (zusätzlich für A, ersetzt T-E)